
Franz Josef Fieger feierte im April 2021 seinen 100. Geburtstag und dürfte somit der älteste Gast der Konditorei Heinemann sein. Der gebürtige Erftstädter empfängt uns in seinem Haus in Düsseldorf und schenkt uns interessante Einblicke in wichtige Stationen seines Lebens. Wir treffen einen Mann, dessen Worte und Geschichten nachhallen. Wir lernen, was für ihn im Leben wirklich zählt, wie man es trotz manch schlimmer Erlebnisse gut meistern und genießen kann ob man mit 100 Jahren schon ein bisschen weise ist.
Bewegt und bewegend: im Gespräch mit dem Hundertjährigen Franz Josef Fieger
Der Überlebende und das Geheimnis eines zufriedenen Lebens
Herr Fieger, Sie sind dieses Jahr 100 Jahre alt geworden, herzlichen Glückwunsch. Was glauben Sie, hat zu Ihrem hohen Lebensalter beigetragen?
Das ist für mich schwer zu beantworten. Ich würde aber sagen, ein ruhiges und nicht zu aufregendes Leben trägt dazu bei. Zumindest führe ich das in den letzten Jahren. Früher war ich natürlich beruflich sehr beschäftigt und dauernd unterwegs. Ich arbeite aber auch heute noch jeden Tag nach einem genauen Ablauf. Ich stehe morgens früh auf, ernähre mich gesund und mache jeden Tag einen Spaziergang. Vielleicht ist das das Geheimnis meines hohen Alters, dass ich nie habe nie aufgehört habe zu arbeiten. Ich muss arbeiten! Ich mache einfach immer weiter.

An welchem Moment Ihres hundertjährigen Lebens hätten Sie am liebsten die Zeit angehalten?
Das ist eine gute Frage, da muss ich erst mal überlegen. Da gibt es sicher viele Momente.
Zum Beispiel, als es mir gelungen war, aus einem Gefangenenlager jenseits der Elbe zu fliehen. Das Lager lag in russischem Gebiet, war aber zunächst von den Amerikanern geführt worden, da diese als erste vor Ort waren. Mir kam zu Ohren, dass unser Lager aber sehr bald der russischen Führung übergeben werden sollte. Das bedeutete große Gefahr und ich beschloss, solange ich noch die Gelegenheit hatte, Richtung Westen zu fliehen. Unter der Leitung der Russen wäre eine spätere Flucht höchstens Richtung Osten möglich gewesen. In diesem Falle wäre mein Leben sicher ganz anders verlaufen. Meinen Fluchtplan hatte ich auch meinem deutschen Kommandeur anvertraut und er war damit einverstanden. Er bat mich, würde mir die Flucht gelingen, für ihn nach Leipzig zu fahren. Ich sollte dort seiner Frau die Nachricht überbringen, dass er lebe und sich gesund in amerikanischer Gefangenschaft befinde. Das habe ich ihm natürlich gerne versprochen.
Den ganzen Weg habe ich mit dem Fahrrad zurückgelegt, so konnte ich mich unauffällig abseits der Straßen bewegen und etwas Proviant mitführen. Ich musste große Umwege in Kauf nehmen, da ich zunächst in östliche Richtung fliehen musste. Richtung Westen wäre das wegen der stärkeren Bewachung lebensgefährlich gewesen. Als nächstes musste ich die Elbe überqueren. Hinüberzuschwimmen kam nicht infrage, bei dem Versuch wurde man garantiert erschossen. An der von Amerikanern bewachten einzigen Pontonbrücke über der Elbe wartete ich drei Wochen lang versteckt auf eine günstige Gelegenheit. Wie ich diese Zeit mit Hunger und Durst überlebte, in mir nicht mehr in Erinnerung. Als eines Tages eine deutsche Gendarmerie-Einheit unter amerikanischer Führung die Brücke passieren wollte, reihte ich mich unauffällig hinten ein. Ich trug zwar schon Zivilkleidung, um unterwegs nicht als Soldat erkannt zu werden, aber darüber noch den so genannten Kradmantel, ein wetterfester Armeemantel. Diesen trug auch die Kompagnie, so dass ich nicht auffiel. Als der Major uns dann durchzählte, war immer einer zu viel. Sie verfolgten das zum Glück nicht weiter und die Männer verrieten mich auch nicht.
Mein erster Weg führte mich zu Gisela, meiner Verlobten. Sie war bei Verwandten in Bernburg an der Saale untergekommen. Wir waren überglücklich, uns wiederzusehen und uns in die Arme zu fallen. Anschließend fuhr ich per Fahrrad nach Leipzig, um mein Versprechen einzulösen und die guten Nachrichten der Ehefrau meines Kommandeurs zu überbringen, dass er überlebt hatte und zurückkommen würde. Sie war natürlich hochbeglückt und unendlich dankbar. Dann wollte ich natürlich zu meinen Eltern, in meine Heimat, dem Rheinland, und ich fuhr wieder mit dem Fahrrad los. Das Wiedersehen mit meiner Familie nach der tagelangen Reise war ein ganz besonders glücklicher Moment.
Als der Krieg zu Ende war und Frieden herrschte, das war auch ein wichtiger Zeitpunkt und ich bin meinem Herrgott zutiefst dankbar, dass ich diesen Krieg lebend und ohne Verwundung überstehen durfte. Besonders schön war dann natürlich unsere Hochzeit und auch die Geburt unseres Sohnes. Und als wir hier in unserem Haus eingezogen sind, welches ich maßgeblich mitgeplant hatte.



Wie schafft man es, nach so vielen dramatischen und lebensbedrohlichen Erlebnissen ein zufriedenes und glückliches Leben zu führen?
Man muss das Schwere, was man erlebt hat, irgendwie ablegen. Und es zu Papier bringen. Das ist wichtig, so kann man das Erlebte abschließen und man braucht sich nicht mehr darum zu kümmern. Das war mein Weg. Ich hatte während dieser schrecklichen Zeit aber auch immer wieder viel Glück.
Inwiefern?
Ich wollte meine damalige Verlobte Gisela nach meiner Flucht und unserem Wiedersehen gerne nach Hause nach Erftstadt-Lechenich holen. Aber das war ein Problem, denn ihr Aufenthaltsort Bernburg an der Saale sollte sehr bald den Russen zufallen. Es war also Eile geboten und ich wollte Gisela so schnell wie möglich nach Hause holen. Am Tag meiner geplanten Abreise bekam ich jedoch eine schwere Grippe und musste unerträglicherweise das Bett hüten. Doch währenddessen passierte Folgendes: Ein amerikanischer Offizier, bei dem Gisela sich nützlich gemacht hatte, indem sie für ihn dolmetschte, bot meiner späteren Frau an, sie von Bernburg in das im westlichen Sektor gelegene Kassel zu bringen, wo sie weitere Kontakte hatte. Er besorgte ihr eine amerikanische Krankenschwesternuniform und riet ihr, dass sie sich bei Gefahr schlafend stellen sollte. So brachte er sie in der Nacht an allen Kontrollen vorbei in Sicherheit. Ich bin diesem Mann ewig dankbar. Leider hatten wir seine Adresse nicht, ich hätte mich so gerne richtig bedankt bei ihm.
Von Kassel aus schaffte es meine Verlobte dann, von einem Lastwagen, der Mehl geladen hatte, bis nach Köln mitgenommen zu werden. Von dort aus machte sie sich zu Fuß auf Richtung Erftstadt-Lechenich. Unterwegs hielt ein Radfahrer neben ihr an und fragte sie, wohin sie denn wollte. Sie sagte, nach Lechenich, zum Sohn des Arztes Dr. Fieger. Der Mann kannte meinen Vater und seine Arztpraxis gut und nahm meine Verlobte kurzerhand auf seinem Fahrrad mit bis zu uns nach Hause. Dort stand sie dann überraschend vor meinem Bett. Ein unglaublicher Moment.
„Gisela war die Frau meines Lebens. Ihr bleibe ich treu.”
Geheiratet haben wir erst später, nach dem Krieg, denn wir wollten, dass die ganze Familie zusammenkommen können würde. Das Fest fand im Mai 1946 im Haus meiner Eltern statt. Obwohl alles Material, ganz besonders Nahrungsmittel, zu der Zeit strengstens rationiert waren, war das für uns kein großes Problem. Mein Vater war im Ort sehr angesehen und wurde für seine Tätigkeit als Landarzt öfter in Naturalien bezahlt, das war damals weit verbreitet. Selbst ein Brautkleid konnten wir für meine Frau schneidern lassen, denn ich hatte schon Jahre zuvor von der mit uns befreundeten ostpreußischen Familie Jacobi in weiser Voraussicht etwas Stoff für diesen Anlass mitgegeben bekommen. Ein Problem stellte eigentlich nur die Hochzeitsreise dar. Wir kamen jedoch in einem beschlagnahmten Hotel in Königswinter bei Bonn unter, in dem viele deutsche Flüchtlinge untergebracht waren. Ein einziges Zimmer wurde frei und wir konnten es für vier Wochen mieten. Wir nahmen Verpflegung für eine Woche mit und danach schickte uns meine Familie regelmäßig etwas, so dass wir uns selbst versorgen konnten.


Was macht für Sie eine gute Ehe aus?
Das gegenseitige Vertrauen ist wichtig. Im Krieg waren wir als Verlobte jahrelang getrennt, in dieser Situation dem anderen vertrauen zu können, das war schon sehr viel wert. Und Liebe. Das überrascht sie wahrscheinlich nicht (lacht). Aber Liebe ist das Wichtigste.
Sie haben 1992 Ihre Ehefrau verloren. Wie schafften Sie es, mit diesem Verlust umzugehen und wieder neuen Lebensmut zu fassen? Was hat Ihnen in schweren Zeiten Kraft gegeben?
Nachdem meine Frau nach schwerer Krankheit gestorben war, habe ich keine zweite Frau gewollt. Gisela war die Frau meines Lebens. Ihr bleibe ich treu bis zum Tod. In Gedanken lebe ich noch mit meiner Frau und hier zuhause erinnert mich alles an sie.
Nach ihrem Tod wieder Lebensmut zu fassen war für mich enorm schwer. Dabei hat mit vor allem mein Glaube viel Kraft gegeben. Auch meine Freunde, denn ich hatte Menschen, denen ich mich anvertrauen konnte. Und meine Reisen haben sicher dazu beigetragen. Die Welt zu sehen, das habe ich schon gemeinsam mit meiner Frau immer sehr genossen und es hat mir auch nach ihrem Tod Freude gemacht.
Waren Sie nie in der Situation, an Ihrem Glauben zu zweifeln oder ihn gar zu verlieren?
Nein, das war ich nie. Obwohl ich im Krieg viel Schlimmes erlebt habe. An der Ostfront ist der Mann von besagter Freundin Frau Jacobi durch die Verletzungen einer Splittergranate in meinen Armen gestorben. Als ich ihr später diese Nachricht übermitteln musste, war das neben dem Verlust meiner Frau eine der dunkelsten Stunden meines Lebens. Auch in dieser Situation half mir mein Glaube.
Der Genießer und der Geschmack der Erinnerung
Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Ich hatte viele gute Freunde, manche davon bleiben es über Jahrzehnte. Wenn ich an meinem Schreibtisch saß und die anderen Jungen durchs Fenster sah, war ich weg und habe mit ihnen Fußball gespielt. Eigentlich hätte ich Schulaufgaben machen sollen, aber das hat mich dann nicht mehr interessiert. Und ich hatte eine ganz besonders liebe Freundin, meine Jugendliebe, ja, man kann sagen, sie war meine erste Liebe. Sie verabschiedete sich von mir immer mit einem Kuss, das war schon etwas besonders Schönes (lacht).
Welche Gerüche und welche Gerichte verbinden Sie mit Ihrer Kindheit?
Da bei uns zuhause zum Glück keine Not herrschte und wir auch einen großen Garten zur Selbstversorgung hatten, gab es viele Köstlichkeiten und es ging uns gut. Meine Mutter arbeitete in der väterlichen Praxis mit und daher kochte für uns eine Angestellte. Ich mochte besonders gerne ihre Königsberger Klopse. Auch Erdbeertorte mochte ich gerne.
Verändert sich der Geschmack im Laufe des Lebens oder bleibt er gleich?
Seinen Geschmack gewöhnt man sich in jungen Jahren im Elternhaus an und behält ihn bei. Wenn man Glück hat, findet man die Geschmäcker seiner Kindheit auch später wieder. Auch heute noch esse ich gerne Erdbeertorte oder Königsberger Klopse. Die hole ich mir von Heinemann, da schmeckt es wie früher.
Würden Sie sagen, dass Sie ein kleines Laster haben?
Nein, eigentlich nicht. Aber ich genieße gutes Essen und guten Wein. Diesen aber erst nach 18 Uhr.
Sie waren bereits als Student Kunde der Konditorei Heinemann. An was erinnern Sie sich?
Meine erste Bekanntschaft mit der Konditorei Heinemann war in Mönchengladbach. Die Eltern von Herrn Heinemann hatten dort schon vor dem Krieg, 1932, eine Konditorei mit Café eröffnet, was für uns junge Leute etwas Besonders war. Ich war Ende der 1930er Jahre in meiner Ausbildung zum Textilkaufmann, studierte an der Textilfachschule in Mönchengladbach und wohnte dort auch. Bei Heinemann traf ich zu dieser Zeit immer meine Freunde und Freundinnen. Ich habe schon damals gerne die Herrentorte gegessen, die geht für mich immer. Die große Geburtstagstorte, die mir Herr Heinemann zum 100. Geburtstag schenkte, war auch eine Herrentorte. Ich halte Herrn Heinemann übrigens für einen großen Meister seines Fachs.
Wie unterscheidet sich Kaffeehauskultur vor 60 oder 70 Jahren von der heute?
Früher war ein Besuch im Kaffeehaus etwas Besonderes. Dort hinzugehen, war bedeutender als heute. Und es gab auch nicht so viel Auswahl an guten Cafés. Ich kann mich nicht erinnern, dass es in Mönchengladbach neben Heinemann etwas anderes Gutes gegeben hätte. Daher trafen wir uns immer in der Konditorei Heinemann.
„Die Natur hilft uns immer weiter.”
Wie hat sich unsere Gesellschaft, wie haben sich unsere Werte mit den Jahrzehnten verändert?
Man bindet sich heute nicht mehr so eng aneinander wie früher. Und viele haben auch nicht mehr so strenge Wertvorstellungen. Heute hat man ja so viele Abwechslungen und so viele Möglichkeiten. Denken Sie an den Urlaub: Früher fuhr man nicht wie heute einfach mal so nach Spanien oder Griechenland. Man machte Urlaub zuhause oder bei Verwandten.
Sie mussten in Ihrem Leben eine Reihe von menschengemachten Katastrophen erleben: Krieg, nukleare Unfälle, Erderwärmung, Artensterben, eine Pandemie und in Ihrem Heimatort Erftstadt-Lechenich haben die jüngsten Überflutungen starke Verwüstungen hinterlassen. Haben Sie dennoch Hoffnung für kommende Menschengenerationen?
Ja, unbedingt, die habe ich. Die Natur hilft uns doch immer weiter. Da wo wir meinen, es ist zu Ende, da ist es noch lange nicht zu Ende. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Die Natur geht immer weiter.
Geht sie denn mit uns Menschen weiter?
Ja, sie geht mit den Menschen weiter. Denn ich habe das Vertrauen, dass die Menschen so flexibel sind, sich jeder schwierigen Situation anpassen zu können.

Der Willensstarke und der Mut, in die Welt hinauszugehen
Sie hatten als gelernter Textileinzelhandelskaufmann Erfolg in der Textilbranche, hatten ein eigenes Modegeschäft. Später jedoch wechselten Sie in die Baubranche. Wie kam es zu diesem Umschwung?
Meine Frau kam aus Düsseldorf, ich aus der Kölner Region. Wir haben uns nach dem Krieg beide Städte angeschaut, um zu überlegen, wo wir uns niederlassen sollten. In Köln waren viele Sprengbomben gefallen, die Innenstadt war komplett zerstört, bis auf Teile des Kölner Doms. In Düsseldorf hingegen waren Brandbomben gefallen. Hier standen noch viele Umfassungsmauern, die Stadt wirkte weniger zerstört und man konnte sie besser wiederaufbauen. Wir entscheiden uns also für Düsseldorf und haben das nie bereut. Wir hatten geplant, gemeinsam ein Textileinzelhandelsgeschäft aufzubauen und das haben wir auf der Graf-Adolf-Straße auch verwirklicht. Ich erwarb ein Grundstück und erbaute mein Geschäft. Dieses lief recht gut, aber mir war es nicht genug, Strümpfe zu verkaufen und für die Damen Laufmaschen aufzunehmen (lacht). Beim Aufbau meines Geschäftes hatte ich Spaß am Bauen bekommen und so beschloss ich, mich auf diesem Feld zu betätigen. Ich habe zunächst in Düsseldorf mehrere große Bauten errichtet und so entwickelte sich das weiter. Bald arbeitete ich auch in anderen Städten, errichtete beispielsweise einen Wohnbau für Bundestagsabgeordnete in Bonn. Später arbeitete und baute ich dann auch überregional und international.
Später wurden Sie auch noch Honorarkonsul für Panama. Wie kam es dazu?
Ich hatte in Bonn den Botschafter von Panama kennengelernt und er hatte mich gefragt, ob ich sein Land hier in Nordrhein-Westfalen vertreten könnte. Ich dachte mir, warum nicht? Und bin dann schön brav nach Panama gereist, habe mich dem Präsidenten vorgestellt und war dann mehrere Jahre hauptberuflich Honorarkonsul für sein Land. Nebenbei verfolgte ich weiter meine Bautätigkeit. Panama ist ein interessantes Land mit großer wirtschaftlicher Bedeutung und sehr eigenen Regeln, es war und ist eine Drehscheibe.
„Der Gregoriusorden war eine große Anerkennung für mein Lebenswerk.”
Sie haben sich privat und mit Ihren Stiftungen sozial engagiert und erhielten dafür von der Katholischen Kirche die päpstliche Auszeichnung „Komtur des Gregoriusordens“ Was war Ihr Antrieb für dieses Engagement?
Während meinen Tätigkeiten im Baugewerbe und auch als Honorarkonsul von Panama habe ich gesehen, wie viel Hilfe überall auf der Welt nötig ist. Und ich finde, wenn man, so wie ich, viel Erfolg im Leben gehabt hat, muss man etwas weitergeben. In dieser Hinsicht war besonders mein Vater für mich ein Vorbild. Er hat mir beigebracht, das, was man hat, zu teilen und Menschen stets zu helfen. Mein Vater hat viel Gutes getan. Er hat in der Nazi-Zeit einigen jüdischen Familien geholfen. Er hat als Arzt oft nur so viel berechnet, wie seine Patienten ohne Probleme bezahlen konnten. Und er hatte eine Stiftung ins Leben gerufen, die ich bis heute weiterführe. Mittlerweile habe ich fünf Stiftungen und helfe damit, wo ich kann, aktuell auch den Flutopfern. In der katholischen Kirche bin ich stark beheimatet, speziell in der Düsseldorfer Maxkirche. Dort wurde auch mein 100. Geburtstag gefeiert. Sogar der Oberbürgermeister hat eine Rede gehalten sowie auch kirchliche Würdenträger. Dass ich den päpstlichen Gregoriusorden verliehen bekommen habe, habe ich als große Anerkennung für mein Lebenswerk empfunden.


Der Rückblickende und der Kern des Lebens
Was haben Sie Ihrer Meinung nach besonders richtig und gut gemacht in Ihrem Leben?
Ach was, ich habe vieles auch falsch gemacht (lacht verschmitzt).
Was haben Sie denn falsch gemacht?
Da fällt mir nichts ein (lacht).
Gibt es etwas, was Sie bereuen?
Eigentlich nichts.
Würden Sie also alles nochmal genauso machen?
Ja.
Was bedeutet Glück für Sie?
Einen guten Lebenspartner zu haben, das ist das Wichtigste im Leben. Jemand zu haben, der mit einem im gleichen Sinne lebt und arbeitet und die gleichen Werte teilt. Das ist Glück.
Glück ist auch, wenn man sich in einer Situation wohlfühlt, beispielsweise hier in meinem Zuhause. Hier kenne ich mich aus, alles steht an seinem angestammten Platz. Ich habe alles längst an die nächste Generation weitergeben, damit diese nach ihrer Fasson damit glücklich wird.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Nein. Im Gegenteil. Ich freue mich darauf. Von mir aus kann er gerne früher als später eintreten.
Wenn Sie uns eine kleine Lebensweisheit mitgeben würden, welche wäre es?
Machen Sie in Ihrem Leben nur Sachen, die Ihren Mitmenschen nutzen. Egal, was. Helfen Sie mit Ihrem Tun und Wirken anderen, die etwas alleine und ohne Sie nicht hätten schaffen können.
Fühlen Sie sich mit 100 Jahren denn ein bisschen weise?
Nee, ganz gewiss nicht (lacht). Und das ist auch gut so. Wenn ich alles wüsste, würde ich ja gar nicht mehr weiterarbeiten. Es ist nie vollends gut, es geht immer weiter. Man darf einfach nicht aufgeben. Wenn man das Glück hat, wie ich, Erfolg zu haben, dann muss man dieses Glück auch annehmen, es ausnutzen und weitergeben. Die Verpflichtung hat man. Und damit hat man genug zu tun, das kann ich Ihnen nur sagen!“
Lieber Herr Fieger, danke für das Gespräch.
Video-Ausschnitt aus unserem Gespräch mit Lebensweisheiten des Hundertjährigen:

Fotos und Video: © Martin Blum – mind.work
Diiesen Artikel über das Leben des Franz Josef Flieger habe ich wegen seiner Positivität genossen. Auch ein Besuch im Café Heinemann ist ein positives Erlebnis. Es gibt auch heute noch Qualität! !
Danke für Ihren positiven Kommentar, lieber Herr Blum! Sie sind jederzeit herzlich willkommen im Café Heinemann!😊