
Unser Frühstücksgast in der Konditorei Heinemann ist heute Dr. Jochen Reiter, Direktor des Aquazoo Löbbecke Museum Düsseldorf. Und mit ihm tauchen wir ein in die faszinierende Welt des Tierreichs. Der tier-und naturbegeisterte Diplom-Biologe denkt angesichts der bedrohten Biodiversität unserer Erde darüber nach, ob Tiere vielleicht die besseren Menschen sind. Am eigenen Leib und hinter den Kulissen des Aquazoo demonstriert er die unglaubliche Kraft eines Oktopusses. Wir hören von ihm über dominante Nacktmulle und traurige Elefanten, erfahren, wie es sich anfühlt, Auge in Auge mit einem Riffmanta zu tauchen und schließlich, warum Mischlingshündin Pünktchen ihn fast noch mehr fasziniert als Pottwale, Pinguine, Piranhas und Co. Ein tierisches Vergnügen mit Tiefgang.
Faszination Natur: Piranhas, Pottwale und Pünktchen, der Hund
Herr Dr. Reiter, als Biologe und Direktor des Düsseldorfer Aquazoo Löbbecke Museum sind Sie im Tierreich bestens bewandert. Können Sie immer noch staunen über die Schönheit und Kreativität der Natur?
Auf jeden Fall! Ich glaube, ich habe mir sogar eine fast kindliche Freude an der Natur bewahrt und ich bin immer noch wahnsinnig neugierig.
In meinem Büro hängt ein Foto von einer meiner Tauchexpeditionen. Hier bin ich vor Mosambik einem Riffmanta mit fünf Metern Spannweite begegnet, er kam mir bis auf wenige Meter nahe. Solche Momente lehren mich immer wieder die Ehrfurcht vor der Natur. Bei derart unmittelbaren Begegnungen mit Tieren bin ich unfassbar fasziniert, empfinde aber auch Demut und Unglauben, dass ich so etwas erleben darf. Als Freitaucher trage ich keine Sauerstoffflasche, produziere also wenig Geräusche. So nehmen mich die Tiere weniger als Gefahr wahr und kommen näher. Bei einer Azoren-Expedition im letzten Jahr haben wir Fotos und Videos von den Giganten der Meere gemacht, neben Riffmantas z. B. auch von Pottwalen, Schwarzen Schwertwalen, Blauhaien und Hammerhaien. Wir hatten unglaubliches Glück, dass wir so viele große Tiere aus nächster Nähe erleben konnten. Diese fantastischen Fotos und Videos werden wir übrigens im Aquazoo ab dem 25. April 2023 im Rahmen einer Sonderausstellung zeigen.
Einmal hatte ich auch eine eindrückliche Begegnung mit einem Schwarzen Schwertwal auf den Azoren. Er sah mich und ließ aus seinem Atemloch Luftblasen steigen – er wollte eindeutig mit mir Kontakt aufnehmen, wollte kommunizieren. So etwas Schönes vergisst man nicht.
Bei einer anderen Expedition haben wir vier Pottwale erlebt, die uns mit ihrem Sonar abgeklickert haben, um ein räumliches Bild von uns zu erzeugen. Wir haben die Vibrationen deutlich gespürt. Dann haben sie unsere Gesellschaft zwei Stunden lang toleriert, denn sie waren ganz mit sich selbst beschäftigt. Ein unvergessliches Erlebnis.
Faszination Tieren gegenüber empfinde ich auch bei unserer eigenen Mischlingshündin, Pünktchen. Ich staune und bewundere immer wieder, was sie sich beim Spaziergang so alles erschnüffelt, ein komplettes Lexikon an Gerüchen und Fährten – Gerüche, die wir Menschen niemals wahrnehmen könnten.


Wildes Tierreich: dominante Nacktmulle, traurige Elefanten, meuchelnde Schimpansen
Wenn Sie nochmal als Tier auf die Welt kommen könnten, welches würde es sein?
Oh, es ist echt schwierig, sich aus dieser Bandbreite ein einziges Tier herauszusuchen! Aber ganz spontan nehme ich die Nacktmull-Königin. Nacktmulle sind sehr ungewöhnliche Nagetiere, die in den Halbwüsten Ostafrikas in Kolonien leben. Wie bei den Bienen gibt es Arbeiter, die nur mit dem Nestbau beschäftigt sind, andere suchen Nahrung oder kümmern sich um die Königin. Diese ist die Alleinherrscherin der Kolonie, sie mobbt ihre Konkurrentinnen geradezu – und sie ist auch die Einzige, die Nachwuchs zur Welt bringt. Mit dieser Tierwahl sollten Sie jetzt aber nicht zu viele Rückschlüsse auf meinen Charakter ziehen (lacht).
Können Tiere Freude, Leid und Trauer empfinden, so wie wir?
In bestimmten Fällen ja. In der Schweiz hat man verboten, Hummer bei lebendigem Leib in kochendes Wasser zu werfen. Man konnte untersuchen, dass diese Tiere ein Schmerzempfinden haben und dass man ihnen somit auch Leid antut. Sie kennen vielleicht auch die Beispiele von Elefanten, die scheinbar Abschied nehmen von verstorbenen Gruppenmitgliedern, in dem sie sie mit ihren Rüsseln betasten. Es sieht nach Trauer aus, aber wir dürfen uns diesen Vermenschlichungen tierischen Verhaltens nicht zu sehr hingeben und müssen das genauer erforschen.
Wie stellen Sie sicher, dass es Ihren Tieren im Aquazoo gut geht?
Ich trage mit meinem Team die Verantwortung für rund 4.500 Tiere und jeder Einzelne von uns nimmt diese sehr ernst. Morgens als erstes gehen die Pfleger zu ihren Schützlingen. Sie versuchen, ihre Tiere zu lesen und herauszufinden, ob es ihnen gut geht – und sie haben einige Parameter, dies zu erkennen. Bewegen sich die Tiere gut? Fressen sie gut? Dank guter Pflege, ausreichend Futter, genügend Platz und Beschäftigung sowie medizinischer Versorgung werden viele Tiere bei uns sogar älter als in ihren natürlichen Lebensräumen. Man sollte also mit der Zootierhaltung nicht allzu sehr ins Gericht gehen, denn wir tun alles dafür, dass unsere Tiere eine lebenswerte Zeit bei uns verbringen.







Sind Tiere vielleicht die besseren Menschen?
Wenn ich mir Schimpansen-Gruppen anschaue, die sich gegenseitig meucheln, nur um ihr Revier zu verteidigen, dann würde ich das nicht unbedingt behaupten. Mensch und Tier sind diesbezüglich wohl nicht allzu weit auseinander. Generell denke ich, dass Tiere genauso viel Intelligenz besitzen, wie sie zum Überleben benötigen. Wir Menschen besitzen vielleicht mehr Intelligenz, machen damit leider aber zu viel kaputt, sowohl zwischenmenschlich als auch in der Natur.
Könnten wir etwas von Tieren lernen?
Da wäre ich vorsichtig. Das Sozialleben von Tieren darf man nicht romantisieren oder gar vermenschlichen. Denn auch in den friedlichsten Tiergemeinschaften gibt es Krawallmacher und Schlägertypen. Aber in der Tierwelt reicht bei Auseinandersetzungen oft ein Imponiergehabe, welches dazu führen kann, auf einen echten, vielleicht tödlichen Kampf zu verzichten. Ich würde mir für uns Menschen schon wünschen, dass auch in unseren Konflikten Drohgebärden ausreichen würden und wir nicht den letzten Schritt in Richtung Krieg und Zerstörung machen müssten.
Kleiner Feinschmecker: der Brillenpinguin


In Ihren kommentierten Fütterungen können die Besucher lernen, was Tiere gerne fressen: Was ist denn die Lieblingsspeise von z. B. Brillenpinguinen?
Ein Pinguin kann sehr wählerisch sein. Der eine mag Sprotten, der andere lieber Hering. In einem Fall darf der Happen nicht zu groß sein, im anderen nicht zu klein. Einer unserer Pinguine möchte seinen Fisch von links gereicht bekommen, ein anderer von rechts. Und es gibt noch viele Vorlieben mehr! Während unserer kommentierten Fütterungen staunen die Besucher manchmal nicht schlecht, ein Besuch lohnt sich.
Piranhas sagt man nach, dass sie auch Menschen angreifen und fressen, stimmt das?
Nein, die Piranhas sind die Gesundheitspolizei der Süßgewässer, sie fressen nur alte, kranke und verletzte Tiere. Da müsste ein Mensch schon sehr stark bluten, bevor sie uns angehen würden. Unsere Tierpfleger gehen nur mit einem Neopren-Shorty bekleidet ins Piranha-Becken, da passiert überhaupt nichts.
Zwei Ihrer Attraktionen sind das Pinguin- und das Kuhnasenrochen-Aquarium. Wie macht man diese eigentlich sauber?
Unsere Mitarbeiter machen das per Tauchgang. Ich tauche auch selber hin und wieder ins Pinguinbecken hinein, um es sauber zu machen. Wir benutzen kleine Bürsten für die Säuberung der Kunstfelsen und Mikrofasertücher gegen den Algenbelag auf den Scheiben. Da muss man richtig viel schrubben. Pinguine sind neugierig und verspielt, sie reagieren auf Menschen. Manchmal kommen sie herangeschwommen und picken an uns herum. Unsere kleinen Putzhelfer am Boden sind übrigens die Strandkrabben, die sich gerne in den Amphoren verstecken.
Auch das Kuhnasenrochen-Becken putzen wir beim Tauchen mit aller Vorsicht und nur zu zweit, denn wenn sich ein Tier erschrecken sollte, könnte es zustechen. Wenn die Rochen trächtig sind, muss man besonders vorsichtig sein, da möchten die Tiere ihre Ruhe haben und wir würden sie dann gerne auch in rückwärtige Becken ausquartieren. Leider mangelt es uns hierfür an Platz.

Das Aquazoo Löbbecke Museum ist gleichermaßen Zoo wie Naturkundemuseum. Welches sind die Vorteile dieses Konzepts?
Als Aquazooo Löbbecke Museum erfüllen wir tatsächlich zwei wesentliche Aufgaben gleichzeitig: die Arterhaltung und die Wissensvermittlung. Wir schaffen es, kleine und große Gäste für Themen wie Umwelt-, Natur- und Artenschutz zu sensibilisieren. Und dies extrem niederschwellig, mit günstigen Preisen und großer Nähe zu den Tieren, dazu kommen ca. 1.000 Bildungsveranstaltungen pro Jahr. Das Zusammenspiel aus Wissen und Erleben vermittelt unseren Besuchern ein immersives und intensives Erlebnis. Gesamtgesellschaftlich werden unsere Themen immer wichtiger. Denn für unsere Erde ist es ist nicht fünf vor zwölf, auch nicht zwölf Uhr, es ist schon halb eins. Ich bin gespannt, ob wir die Kurve noch kriegen, momentan bin ich pessimistisch. Ein Beispiel: Zwei Grad globale Erwärmung bedeuten wohl den Verlust von 90 Prozent aller Korallenriffe. Niemand weiß, wie wir diesen Verlust kompensieren wollen. Experten haben errechnet, dass es in 10 Jahren, also 2033, bereits soweit sein könnte.

Bedrohte Biodiversität: 75 Prozent der Insekten verschwunden, 40 Prozent der Amphibien bedroht
Können Sie ein paar Zahlen nennen, wie es heute um die Biodiversität auf der Welt steht?
Der Entomologische Verein Krefeld hat nachgewiesen, dass in den letzten 127 Jahren die Biomasse an Insekten um über 75 Prozent geschrumpft ist. Jeder merkt das beim Autofahren: Früher klebten immer einige Insekten an der Windschutzscheibe, heute kaum noch. Dieser Verlust ist auch ein volkswirtschaftlicher Faktor, denn es fehlen schon heute genügend Bestäuber von Obstbäumen –neben den Bienen auch viele andere Insekten, die diese Aufgabe übernehmen. Wir Menschen haben außerdem mit Rodungen dafür gesorgt, dass die Aussterberate von Arten um den Faktor Tausend gesteigert ist, also tausend Mal höher liegt als die natürliche.
Der Aquazoo hat sich dem Natur- und Artenschutz sowie dem Erhalt der Biodiversität verpflichtet. Können Sie ein paar Beispiele hierfür aus Ihrer täglichen Arbeit nennen?
Viele wissen nicht, dass die aktuell größte Aussterbewelle die Amphibien betrifft. Von den weltweit 8.600 Amphibienarten sind bereits 40 Prozent bedroht. Jedoch haben wir mit der Amphibienschutz- und Zuchtstation des Aquazoo Löbbecke Museum einen Hotspot der Erhaltungszucht, der weltweit Beachtung findet. Auch weil es uns gelungen ist, Amphibien nachzuzüchten wie den Titikaka-Riesenfrosch oder den Antillen-Ochsenfrosch. Beide Arten sind hochbedroht. So bauen wir mit unserer Arbeit Reservepopulationen auf, mit dem Ziel, sie eines Tages in die angestammten Lebensräume zu überführen. Aber auch ein Blick vor die eigene Haustür macht klar, wie es um unsere heimischen Amphibien steht. Alle 21 Amphibienarten in Deutschland unterliegen dem Artenschutz, sind bedroht. Zum Beispiel der Feuersalamander. Auch diesen konnten wir glücklicherweise im Aquazoo nachzüchten. Ferner arbeiten wir mit am Edelkrebs-Projekt NRW, welches zum Schutz und zur Förderung der heimischen Flusskrebsbestände beiträgt. Die einheimischen Krebse werden seit längerem nämlich von einigen nordamerikanischen Arten verdrängt.
Was bedeutete es für uns Menschen, wenn es bald keine Amphibien mehr gibt?
Jede Tierart hat eine wichtige biologische Funktion. Amphibien, aber z. B. auch Fledermäuse, fressen Insekten, die für Menschen gefährlich werden könnten, da sie Krankheiten übertragen, beispielsweise die Asiatische Tigermücke. Manchen Menschen ist übrigens eine völlig unbegründete Angst von Tieren anerzogen, die auch verhindert, dass wir ihren Wert schätzen und sie schützen. Schlangen gelten als schleimig, Fledermäuse als gefährliche Blutsauger. Nichts davon stimmt. Absolut jede Art ist wichtig im biologischen System. Und wenn eine fehlt, gerät alles in Schieflage.
Der Mensch: Krone der Schöpfung?
Der Mensch bezeichnet sich selbst als die „Krone der Schöpfung“. Ist dies aus Ihrer Sicht in irgendeiner Weise gerechtfertigt?
Mittlerweile und aus den zuvor genannten Gründen würde ich sagen: nein. Aber eine Pauschalisierung ist immer schwierig und nicht alle 8 Milliarden Erdbewohner sind auf den Kopf gefallen. Wir Menschen sind in der Lage, hervorragende technologische Erfindungen zu machen, dies schafft kein Tier. Aber angesichts des Mikroplastiks in der Umwelt und angesichts des rapiden Biodiversitätsschwundes stellt sich schon die Frage, warum wir unsere Intelligenz nicht anders einsetzen. Auch ein simples Tempolimit zugunsten der Umwelt scheint nicht machbar, das verstehe wer will.
Was könnten wir alle, jeder einzelne Mensch, für einen besseren Artenschutz tun?
Im Alltag eine Menge. Es fängt damit an, dass wir zuhause unseren Müll trennen und ihn nicht achtlos in der Umwelt entsorgen sollten. Ebenso wenig unsere Zigarettenkippen, die nämlich der Natur großen Schaden zufügen. Wir könnten mit der Tupperware zum Einkaufen gehen und so auf Plastik und Papier verzichten. Oder wir könnten auf nicht zertifiziertes Palmöl verzichten und begreifen, wo es überall verarbeitet ist. Darüber hinaus muss niemand von Düsseldorf nach Berlin fliegen, da tut es auch der Zug. Ändert man ein paar Gewohnheiten, kann man ganz einfach ein nachhaltigeres Leben führen.
Kleiner Beitrag, große Wirkung: der Artenschutz-Euro



Besucher des Aquazoo können ab sofort einen freiwilligen Artenschutz-Euro für Projekte zum Erhalt der Biodiversität entrichten. Was bringt der?
Der Artenschutz-Euro versetzt uns als Zoo in die Lage, Arten- und Naturschutzprojekte, mit denen wir kooperieren, um den Faktor 10 finanziell mehr unterstützen zu können als bisher. Die Deutschen sind recht gut informiert über die Arbeit von Zoos und es gibt daher eine große Akzeptanz für den Artenschutz-Euro, der streng zweckgebunden ist. Seit Einführung zum 1. März zahlen über 95 Prozent unserer Gäste diesen Beitrag gerne. Unser Haus ist beim Artenschutz schon gut und vielfältig aufgestellt, aber wir möchten und müssen vor Ort noch viel mehr bewirken. Und der Artenschutz-Euro ist ein wertvoller Beitrag. Wer uns darüber hinaus unterstützen möchte, kann auch eine Spende leisten, dem Freundeskreis beitreten oder eine Tierpatenschaft übernehmen. Mit 75 Euro im Jahr wird man beispielsweise Pate eines Doktorfisches. Unsere Patenschaften kann man übrigens auch verschenken.
Bis zum bis 2. April 2023 läuft noch Ihre Sonderausstellung „Sex and Gender“. Ein hochaktuelles Thema, oder?
So ist es. Wir präsentieren mit einem wissenschaftlich-neutralen Blick ca. 50 Fälle von Transgender, Intersexualität oder Zwittrigkeit im Tier- und Pflanzenreich. Der Besucher staunt und begreift: Die Natur spielt nach vielen Regeln. Wenn wir diese Vielfalt verstehen lernen, können wir vielleicht auch mehr Verständnis für unsere eigene Spezies aufbringen. Unsere Ausstellung ist jugendfrei und tiefergehende Informationen werden über QR-Codes in unterschiedlichen Sprachen angeboten.
Ab dem 25. April 2023 wird es eine neue Sonderausstellung geben: „Giganten des Atlantiks“, mit großformatigen Fotos von faszinierenden Meeresbewohnern, die auf meiner schon erwähnten Expedition auf den Azoren entstanden sind. Auch diese Ausstellung wird ein Highlight werden.

Leben nach Corona: rücksichtsvoller und intensiver?
Im März 2020 haben Sie gesagt: „Das Leben nach Corona wird anders sein, aber sicherlich freundschaftlicher, rücksichtsvoller und intensiver.“ Stimmt Ihre Einschätzung?
Für unser Team am Aquazoo Löbbecke Museum würde ich sagen, dass die Herausforderungen durch die Pandemie unsere Zusammenarbeit intensiver gemacht haben. Sie haben mehr Verständnis füreinander hervorgebracht. Wir mussten kleine, wechselnde Teams bilden, damit wir uns nicht ansteckten. Das hat uns zusammengeschweißt und jeder hat die Arbeit des anderen intensiver erleben können. In dieser Zeit konnte auch ich wieder einmal erfahren, mit welchem Elan jeder im Team seiner Arbeit nachgeht. Meine Mitarbeiter würden jederzeit einfach alles geben, das weiß ich. Was mich selbst betrifft, habe ich gemerkt, dass ich mir noch mehr Zeit für mein Team nehmen muss und immer weiter nach Möglichkeiten suchen muss, dass sich hier alle weiterhin wohl fühlen. Denn auch wir haben Stress und Herausforderungen zu meistern, auch wir sind nur Menschen.

Größter Wunsch: mehr Platz durch einen Erweiterungsbau
Das Aquazoo Löbbecke Museum hat um die 450.000 Besucher pro Jahr und ist das beliebteste Museum Düsseldorfs. Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Mein Großer Wunsch und mein großes Ziel ist ein Erweiterungsbau für den Aquazoo. Wir benötigen dringend mehr Platz für unsere Arbeit, auch und gerade hinter den Kulissen. Mit Projekten wie unserer Fisch- und Korallennachzucht oder unserem Amphibienprojekt leisten wir heute schon einen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit. Aber das kann und muss noch mehr werden, denn diese Arbeit ist wertvoll, zeitgemäß und absolut erforderlich und unser Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft, solange uns der Raum fehlt. Auch das Besuchererlebnis ließe sich durch einen attraktiven Erweiterungsbau noch steigern. Ich möchte mehr Storytelling zu Lebensräumen machen, das Eintauchen in Ökosysteme kommt bei unseren Besuchern hervorragend an. Und natürlich müssen wir uns auch an anderen Zoos messen lassen, die deutlich großzügiger angelegt sind als wir. Unser Haus ist eine echte Perle in Düsseldorf, denn wir sind der größte außerschulische Lernort der Stadt. Dieser Umstand muss doch Gewicht haben. Es führt kein Weg daran vorbei: Das Aquazoo Löbbecke Museum muss sich perspektivisch vergrößern und dafür kämpfe ich beharrlich und mit meiner ganzen Energie.



Genuss: süß und deftig, einfach und gut
Essen Sie Tiere?
Ja, in meiner Familie essen wir Fleisch, jedoch weniger als früher, dafür von bester Qualität. Wir probieren auch Fleischersatzprodukte und viele schmecken uns ganz gut. Ich gebe aber zu, dass nicht jeder so bewusst einkaufen kann, einfach weil es teurer ist. Wir vermeiden Palmöl-Produkte, da die Plantagen den Regenwald unwiederbringlich zerstören.
Sind Sie ein süßer Zahn oder lieben Sie eher deftige Speisen?
Mit Süßem kriegen Sie mich immer. Denn ich bin ein totaler Genussmensch, nasche sehr gern, oder wie ich als gebürtiger Bayer sage, ich schleck sehr gern. Auch Herzhaftes esse ich mit Begeisterung, da bin ich Generalist, wie auch sonst im Leben. Ich esse wirklich fast alles, bis auf Stachelbeeren und Rosenkohl. Zuhause bin ich der Teigspezialist, meine Familie liebt meine Quiche und Pizza. Scheinbar bin ich ein schlechter Futterverwerter, denn die Mengen, die ich essen kann, sieht man mir nicht an. Ich verbrenne zu viel. Abends liebe ich eine Brotzeit. Schöner Käse, gutes Brot, Gewürzgurken, ein kühles Bier dazu, gerne aus Bayern, aber auch ein Altbier finde ich lecker. Die einfachen Genüsse machen mich zufrieden und glücklich.


Der Geschmack der Kindheit: Krapfen, Baumkuchen und Akkordeon
Welches ist das Lieblingsessen Ihrer Kindheit?
Ein schön ausgebackener Krapfenteig, den finde ich immer noch wahnsinnig lecker. Diese Krapfen heißen in meiner niederbayerischen Heimat „Hasenöhrl“. Die bayerische Küche hat mich natürlich geprägt. Bei uns gab es Fleisch und Semmelknödel, bis meine Mutter dann auf gesunde vollwertige Kost umstellte. Eine regionale Spezialität war die Prinzregententorte. Sie besteht aus acht Teigschichten, die stehen übrigens für die damaligen acht Regierungsbezirke Bayerns, dazwischen kommt eine Schokobuttercreme und obenauf Schokoladenkuvertüre. Ganz köstlich.
Was bestellen Sie in der Konditorei Heinemann?
Alles (lacht)! Baumkuchen zum Beispiel mag ich sehr. Da hat mich auch die Familie meiner Frau geprägt, ihr Onkel führte früher die Konditorei Löwer in Wuppertal und ist auch mit Heinz-Richard Heinemann bekannt. Er hat mich schon früh für Pralinen und für seinen Baumkuchen begeistert. Und der von Heinemann steht seinem in nichts nach.


Als Junge waren Sie am Akkordeon 2. Bundespreisträger bei Jugend musiziert. Welche Rolle spielt Musik heute in Ihrem Leben?
Früher sagte man mir nach, dass ich technisch ein paar gleichwertige Konkurrenten hatte, ich aber noch mehr Gefühl rüberbringen konnte. Heute ist mein Akkordeonspiel leider bei Weitem nicht mehr so gut. Denn das Leben geht ja weiter und die Aufgaben wachsen. Man schreibt seine Promotion, lernt seine Ehefrau kennen, gründet eine Familie, fasst beruflich Fuß – da bleibt nicht genug Zeit fürs Musizieren.
Ich habe jedoch kürzlich ein hinreißendes Konzert eines jungen Akkordeonisten erleben dürfen, eines Stipendiaten bei Professorin Mie Miki an der Folkwang Universität der Künste Essen. Man sagt, dieser junge Akkordeonist wäre derzeit sogar der Beste weltweit, er hat alle erdenklichen Preise abgeräumt. Sein virtuoses Spiel eines hoch anspruchsvollen Repertoires hat mich völlig sprachlos gemacht. Während der Heimfahrt habe ich nicht wie sonst das Radio eingeschaltet, ich musste dieses Erlebnis erst einmal still verarbeiten. Dieser Konzertbesuch hat natürlich auch Erinnerungen an meine musikalische Vergangenheit und somit auch etwas Wehmut in mir geweckt.
Es freut mich daher sehr, dass meine Tochter nun Akkordeon lernt und diese kleine Tradition weiterführt. Und ihr Zwillingsbruder spielt Klavier, wie meine Frau.
Wenn Sie an Ihre Kindheit denken: Gibt es Familientraditionen, an die sich gerne zurückerinnern?
Ein Kripperl an Weihnachten aufbauen, das ist eine sehr liebgewonnene und gelebte Tradition. Da könnte ich mir vorstellen, dass diese auch meine Kinder noch weiterführen werden.



Kraft tanken: Stille, Sport und Musik
Wo tanken Sie Kraft?
Wenn es maximal still um mich herum ist. Das kann ein Aufenthalt in der Natur sein. Besonders im Moment des Freitauchens erlebe ich grenzenlose Stille. Da finde ich zu einer tiefen Ruhe. Und da ertrage ich auch die Stille, denn wirkliche Stille erlebt man ja sonst kaum. Daran sind wir ja gar nicht gewöhnt, da wir fast immer von Geräuschen umgeben sind. Kraft tanke ich aber auch, wenn ich einfach zuhause auf der Couch liege und vor mich hindöse. Oder ganz im Gegenteil, wenn ich mich voll auspowere beim Volleyball, auch der Sport gibt mir Kraft und Energie.
Welches sind Ihre persönlichen Genussmomente?
Musik zu erleben, so wie ich es vorhin beschrieben habe, oder selbst am Akkordeon zu musizieren, das sind besondere Momente für mich. Erst kürzlich habe ich mich zuhause für zwei Stunden zurückgezogen und wieder zum Akkordeon gegriffen. Über meinem Spiel habe ich dann ganz die Zeit vergessen, ich war völlig versunken in die Musik.
Abends mit meiner Frau in Ruhe und bei einem guten Rotwein die Zweisamkeit zu genießen, ein bisschen Käse zu essen und sich auszutauschen, das genieße ich auch sehr. Eigentlich sind es eher die einfachen Dinge, die mich im Hier und Jetzt leben lassen. Ich schätze es auch, hin und wieder Zeit für mich selber zu haben. Wenn ich mich mal aus allen Verpflichtungen ausklinken kann, lade ich meine Batterien auf.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Ich würde sagen, ich kann mich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Und dies mit einer fasst kindlichen Freude. Ich brauche nicht viel zum glücklich sein.
Lieber Herr Dr. Reiter, vielen Dank für das Gespräch.



Fotos: © Martin Blum
Motiv Freitauchen mit Teufelsrochen: © Lennart Voßgätter
Sehr schönes und lehrreich! Und auch tolle Fotos. Ich liebe Oktopusse. Und natürlich Pralinen.
Vielen Dank für das Lob, liebe Nicole Elsenbach!
Nach meinem Kommentar habe ich jetzt eine Frage:
Die besondere Erwähnung von “Pünktchen, der Hund” hat mich neugierig gemacht. Ich habe aber hierzu keine Zeilen gefunden. Habe ich diese übersehen?
Hallo Herr Killing. Wird in der ersten Antwort thematisiert:) LG kleineslaster
Besten Dank für dieses großartige Interview. Ich werde es gleich noch einmal lesen und wieder genießen.