
Neun Uhr morgens. Im Café Heinemann am Martin-Luther-Platz nahe der Düsseldorfer Kö werden die tagesfrischen Torten und Pralinen in die Vitrinen geräumt. Die Damen vom Service legen die Schürzen an, die Mannschaft macht sich bereit für den Tag. Ich bin mit dem Moderator Ingo Nommsen zum #kleineslaster-Frühstück verabredet und möchte mich mit ihm über Genuss, Medien, Familie und Geschmack unterhalten. Er kommt pünktlich und hellwach durch die Tür. Als Moderator der Morgensendung „Volle Kanne“ ist Ingo frühes Aufstehen gewöhnt. Wir suchen uns ein Plätzchen in einer ruhigen Ecke. Klassische Musik ertönt, langsam füllt sich das Café um uns herum. Ingo Nommsen bestellt Latte Macchiato, frischen Orangensaft und Rührei mit Schinken.


Von Morgenmenschen, Kaffeekochen und dem richtigen Ton
Nach was schmeckt für dich der frühe Morgen?
Nach frischer Luft. Wenn ich es schaffe, mache ich morgens gerne Sport, gehe ins Fitnesscenter oder joggen. Meine Lasterhaftigkeit in Sachen Süßes und Chips muss ich einfach mit Sport kompensieren, da führt kein Weg dran vorbei (lacht).
Was frühstückst du gerne?
Ich mache mir morgens ein kleines Müsli oder einen Haferbrei, heute sagt man dazu ja Porridge, das klingt cooler. Schon meine Oma machte mir früher immer Haferbrei, mit ganz viel Kakao darin. Wenn ich im Café frühstücken gehe, nehme ich gerne Rührei mit Schinken oder auch etwas Süßes.
Wie lässt du dich morgens wecken?
Ich habe drei Wecker. Einmal ein Armband, welches mich durch Vibrationen weckt, das funktioniert sehr gut. Als Backup nutze ich noch die Weckfunktionen meines Telefons und die meines Handys. Ich bin gelernter Morgenmuffel. Als Jugendlicher war ich schwer aus dem Bett zu kriegen. Meine Mutter befürchtete, dass ich ohne Frühstück nicht den Tag bewältigen würde und servierte es mir daher am Bett. Noch in der Abizeitung war ich als einziger Schüler aufgeführt, der sein Frühstück ans Bett gebracht bekam. Den Morgenmuffel habe ich dann total abgelegt. In meinen Anfängen bei Filmproduktionen und im Fernsehen habe ich als Praktikant für die Teams Kaffee gekocht, ich musste also sehr früh am Set sein. Das hat mir nichts ausgemacht, es machte mit ja Spaß, endlich zu tun, was ich wollte. Heute genieße ich immer noch dieses Gefühl, schon morgens viel geschafft zu haben und stehe sogar an Wochenenden gerne früh auf.
Du moderierst seit 20 Jahren die „Volle Kanne“ im ZDF. Welche speziellen Skills brauchst du?
Es ist von Vorteil, wenn du Menschen zugewandt bist. Wenn du Freude an Begegnungen hast, gerne Gastgeber bist, Neugier empfindest und eine optimistische, positive Grundhaltung hast. Du brauchst eine gewisse Lockerheit und Angstfreiheit und es ist gut, immer aus allem zu lernen, was du machst. Lust am Entertainen schadet auch nicht – das hilft oftmals auch bei ernsteren Themen. Ich habe mich schon früh ausprobiert und meinen Beruf von der Pike auf gelernt, als Praktikant, Fahrer, Volontär und später dann im Studium. Gerade in Live-Shows oder Galas musst du innerlich auf Zack und wendig im Kopf sein. Du solltest in der Lage sein, mit Menschen zu interagieren, gerade wenn nicht alles nach Plan läuft. Ein bisschen Glück musst du sicher auch haben, zur richtigen Zeit die richtigen Menschen treffen. Und dann ist da noch – ganz wichtig – das Team: Bei der „Vollen Kanne“ kann ich sicher sein, dass ich mich zu hundert Prozent auf alle verlassen kann, das Team läuft wie ein geölter Motor. Das gibt mir als Moderator viel Sicherheit.
Du bist diplomierter Journalist und hast auch Fächer wie Kommunikationswissenschaft, Politik, Soziologie und Psychologie belegt. Welche helfen dir beim Moderieren am meisten?
Die Psychologie hilft dir vielleicht dabei, Menschen zu öffnen. Aber eigentlich sind es alle in ihrer Gesamtheit. Das ist wie ein Baukasten, aus dem du dich bedienen kannst. Ich vergleiche es mit Musik: Du lernst Akkorde, du übst viel. Dann bist du auf der Bühne und musst spielen. Jetzt gilt es, im Moment zu sein, das Gelernte zu vergessen und aus dem Bauch heraus die richtigen Töne zu treffen.
Du wolltest schon als Kind Moderator werden. Wie hast du dir damals diesen Beruf vorgestellt? Was ist heute anders als in deiner kindlichen Vorstellung?
Für die erste Folge meines neuen Podcasts habe ich mir noch mal rausgesucht, wie ich als Zehnjähriger die bayerischen Radio-Charts mit zwei Kassettenrekordern aufgenommen und dann moderiert habe. Im Prinzip ist der Beruf schon so, wie ich ihn mir damals vorgestellt hatte: Du sendest etwas live in die Welt. Du lernst permanent interessante Menschen kennen. Du machst Shows, die Menschen glücklich machen. Du bist für viele so etwas wie ein Fernsehfreund. Mich macht es glücklich, wenn meine Arbeit ankommt und Menschen mich gerne sehen. Der Weg dahin war nicht immer ganz leicht und es hat jahrelangen Einsatz mit vielen Entbehrungen gebraucht, um diesen Erfolg zu haben. Wenn ich heute Shows mache oder mit bekannten Musikern Musik machen darf, dann deshalb, weil ich lange an mir gearbeitet habe, immer noch lerne und mich weiter entwickle.
Deine Podcast-Serie heißt „Nonstop Nommsen“. Bist du jemand, der nonstop arbeitet?
Ich sage immer, dass ich vierundzwanzig Stunden am Tag arbeite. Oder zumindest auf Empfang bin. Denn was mir im Leben begegnet, kann sich auch in meinen Moderationen und Sendungen wiederfinden. Wobei ich es gar nicht als Arbeit empfinde, das ist für mich ein Vergnügen. Richtige Arbeit für mich ist für mich eher die ganze Bürokratie, wenn ich z. B. die Steuererklärung mache. Ich liebe es, gut vorbereitet zu sein. Schon beim Radio war die Grundregel, sich immer auf eine doppelt so lange Sendung vorzubereiten, um gut gerüstet in eine Live-Sendung zu gehen. Du hast dann die Freiheit, aus der Situation heraus zu agieren und von dem abzuweichen, was du dir auf dem Reißbrett überlegt hast. Dadurch wird das Ergebnis oft noch viel besser.
Von Erfolgsmenschen und dem Glück Musik zu machen
Du hattest viele Prominente vor der Kamera. Wer hat dich nachhaltig beeindruckt?
Ganz ganz viele! In meinen „Erfolgsmenschen“ portraitiere ich eine Auswahl meiner Lieblingsgäste, die mich mit Ihrer Karriere inspiriert haben. Mich beeindrucken besonders Menschen, die schon sehr lange im Geschäft sind. Da ist zum Beispiel Klaus Meine von den Scorpions. Ich war schon als 13-Jähriger Scorpions-Fan, mein erste LP war das „World Wide Live“-Album. Heute kann ich Klaus im Studio besuchen und er lädt mich zu Konzerten ein, das ist toll. Oder Kim Wilde, in die als Teenie verliebt war und mit der ich schon gemeinsam Musik gemacht habe. Ich habe mit Helene Fischer gesungen und meine Jugendidole von Deep Purple zu Gast in der Sendung gehabt. Das alles waren Highlights für mich. Wenn ich mit Frank Elstner frühstückte oder Gast in der Harald-Schmidt-Show war, dann waren das schöne Momente, an die ich mich sehr gut erinnere.
Welcher deiner Gäste hat dich richtig überrascht?
Ich habe oft mit Vorurteilen über Menschen zu tun, die sich meist gar nicht bewahrheiten. Der angeblich „besonders maulfaule“ Schauspieler erzählt plötzlich sehr engagiert. Die besonders „schwierige“ Künstlerin ist es mit der richtigen Ansprache überhaupt nicht. Ich bitte mein Team heute darum, mich mit Schubladen zu verschonen und lasse mich einfach offen auf jeden Gast ein.
Wie kommst du mit deinem eigenen Prominentenstatus zurecht?
Das Interesse an einer Person und der Erfolg ihrer Sendungen gehen natürlich Hand in Hand. Mich freut es immer, wenn mir jemand Feedback zu meiner Arbeit gibt. Wenn mir jemand in der Straßenbahn oder im Café auf die Schulter klopft, ich nette Kommentare auf Facebook oder Instagram erhalte, dann motiviert mich das. Die meisten zwischenmenschlichen Begegnungen sind sehr positiv.

Von Familienmenschen und unvergesslichen Genüssen
In den Sozialen Medien teilst du deine Kindheitsfotos und Super-8-Schnipsel. Wie war deine Kindheit? Was bedeutet dir Familie?
Die Familie ist ein zentraler und wichtiger Ort, um Kraft zu tanken. Mein Backup. Wenn es mir mal nicht gut geht, kann ich dort andocken. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Fernsehen keine große Rolle spielte, mein Bruder und ich durften nicht viel schauen. Wir haben aber viel Radio gehört. Ich bin nach der Schule nach Hause gerannt, um meine Lieblingsradiosendungen nicht zu verpassen. Zusammen mit meinem Opa und meinem Vater las ich am Wochenende alle möglichen Zeitungen, von der Süddeutschen bis zur Bildzeitung. Dann haben wir über die Themen der Welt diskutiert. Ich fand es als Junge ziemlich cool, mit der Erwachsenen zu politisieren. Mein Vater war bei der Bundeswehr, daher mussten wir alle zwei Jahre umziehen. Freundschaften waren schwer zu halten, wir haben immer wieder neu angefangen. Anfangs war es für mich schwer, meine Angst zu überwinden und fremde Kinder zu fragen, ob ich mitspielen darf. Ich lernte, über meinen Schatten zu springen. Diese Erfahrungen haben mich flexibel gemacht. Heute kannst du mich in jede Runde stellen, ich komme überall zurecht.
Wenn du an deine Kindheit zurückdenkst: Was war damals dein größter Genuss?
Nach dem Skifahren ein heimlicher Cup Denmark. Diese Mischung aus Vanilleeis mit Sahne und heißer Schokoladensauce, das war für mich der Inbegriff des Genusses! Mein Vater war mit Süßem streng, er durfte nicht wissen, dass meine Tante uns den Eisbecher ausgab. Uns ging es gut, aber wenn wir mal auswärts essen gingen, bestellten wir Kinder bescheidene Gerichte und der Nachtisch wurde geteilt. Die Verkörperung von Luxus und Völlerei war unser erster Hotelurlaub mit Frühstücksbuffet. Ich ging zur ersten Runde um halb sieben, dann zum Tennisspielen, dann wieder zum Buffet, dann zum Schwimmen, dann habe ich mir erneut etwas Leckeres geholt. Ich war wohl schon immer ein Genussmensch (lacht).
Wofür hast du dein Taschengeld ausgegeben?
Taschengeld hatten wir in dem Sinne nicht. Wir bekamen alles, was wir brauchten, Musikunterricht, Möglichkeiten, Sport zu machen. Außerdem habe ich schon als Kind Zeitungen ausgetragen, um mir etwas dazuzuverdienen.
Dein Lieblingsgericht als Kind?
Ich hatte wechselnde Lieblingsgerichte, an denen ich mich jeweils in meiner Begeisterung überessen hatte. Mein österreichischer Onkel ging mit meinem Bruder und mir gerne in die Konditoreien, wir duften aussuchen, was wir wollten und uns vollfuttern. Ich mochte damals besonders die Kokoskuppeln. Mein Onkel kam später mit einem Umzugskarton voller Kokoskuppeln vorbei, um uns eine Freude zu machen. Wir aßen sie komplett auf. Seitdem kann ich leider nichts mehr mit Kokos essen.
Gab es Futterneid in deiner Familie?
Bei zwei Brüdern am Tisch war das ein Thema, klar. Ich habe immer klar gesagt, was ich wollte und galt dann als gierig. Mein Bruder war schlauer, er hat auf gute Gelegenheiten gewartet und hat sich geschnappt, was er wollte.
Welche Familientradition führst du fort?
Bestimmt die, dass ich gerne Gastgeber bin. Ich liebe es einfach, mit Menschen gemütlich am Tisch zu sitzen, in Runden von acht bis fünfzehn Leuten, so dass man sich mit jedem unterhalten kann. In meiner Familie stand die Tür für Freunde immer offen. Wer zuhause Stress hatte, konnte kurzfristig bei uns einziehen. Die Familie meiner Mutter hatte eine Metzgerei, da fanden schon früher immer Parties statt, die Freunde saßen beim Wein zusammen. Die Tradition hat meine Mutter fortgesetzt und ich wohl auch.
In der „Vollen Kanne“ wird immer auch gekocht und gebacken. Führen Kochsendungen zu mehr Esskultur?
Wir können sicher Anregungen geben und dazu beitragen, dass manchen die Angst genommen wird, sich überhaupt an den Herd zu stellen. Und die Garantie geben, dass das, was wir in der Sendung kochen oder backen, auch zu Hause funktioniert. Ich habe gelesen, dass 80 Prozent der Rezepte aus Kochbüchern niemals gekocht werden, eigentlich schade. Ich selbst bin durch die „Volle Kanne“ zum Konditor geworden. In meiner Familie bin ich seitdem für Kuchen und Torten zuständig. Vorher konnte ich überhaupt nicht backen.

Von Genussmenschen und der Kunst sich zu entspannen
Was ist für dich wahrer Genuss?
Einmal nichts zu machen. Mir diesen Moment einfach mal zu gönnen. Mich auf einen Berg zu setzen, die Aussicht zu genießen, das könnte ich stundenlang machen. Einen Film oder eine Serie schauen – ohne schlechtes Gewissen. Und das zufriedene Gefühl nach dem Sport.
Wäre die Welt ein besserer Ort, wenn wir alle mehr genießen würden?
Zumindest wäre es von Vorteil, mehr Zeit in Genuss und Entspannung zu investieren, statt sich die Köpfe einzuschlagen. Die scheinbar verlorene Kunst der Toleranz halte ich für wichtig, andere Meinungen auch mal stehen lassen zu können. Viele Themen sind heute so komplex, dass schnell eine abschließende Meinung zu haben oft nicht möglich ist. Ich würde mir wünschen, dass wir uns öfter erst in Ruhe alle Perspektiven anschauen.
Was bedeutet Sinnlichkeit für dich?
Wenn mich etwas mit all seiner Kraft anspricht und mich in den Bann zieht. Auf allen denkbaren Ebenen, haptisch, olfaktorisch, geschmacklich.
Verändert sich Sinnlichkeit im digitalem Zeitalter?
Es geht heute mehr um Momentaufnahmen, weniger um einen Gesamteindruck. Und um den schönen Schein. Das ist wie beim Foodstyling, da wird das Essen etwa durch Haarspray appetitlich gemacht. Ob es wirklich schmeckt, ist eine andere Sache. Viele gaukeln uns ein idealisiertes und glamouröses Leben vor. Wenn man aber hinter die Kulissen blickt, ist die Jacht nur gemietet und die Badehose bereits verpfändet. Natürlich gibt es vielfältige digitale Wege, Menschen zu erreichen, wie Podcasts oder Instagram. Das macht ja auch Spaß, dennoch muss für mich der Austausch im analogen Leben weiter die Basis sein.
Welche Musik hörst du?
Ich liebe Musik und bin offen für viele Genres. Ich höre Rock, Pop, Funk, Blues, Hiphop, Hardrock, alles kann mich begeistern und gefangen nehmen. Ich hatte zwei Gitarrenlehrer, die mich geprägt haben. Der eine war Jazzgitarrist, der andere spielte Hardrock.
Du spielst ganz gut Gitarre. Was bedeutet dieses Instrument für dich?
Die Gitarre ist eine meiner Leidenschaften. Meine Familie lebte zu der Zeit in Hannover, als die Stadt das europäische Zentrum für Hardrock war. Damals kam für mich natürlich nur die Gitarre infrage!
Hier in der Konditorei Heinemann läuft gerade klassiche Musik. Welchen Geschmack hast du dazu auf der Zunge?
Den Geschmack von Trüffeln mit Champagne und Baumkuchenspitzen. Aber diese tolle Himbeertorte, die liebe ich auch sehr.
Wenn du in der „Vollen Kanne“ mit Heinz-Richard Heinemann backst, habe ich den Eindruck, dass zwischen euch beiden viel Sympathie herrscht. Was verbindet euch?
Ich bewundere Richards Arbeit und habe größten Respekt vor seiner Kunst und seinem Handwerk. Ich war zu Besuch in der Backstube und habe gesehen, wie viel Können und Liebe in jedem Produkt steckt. Die Konditorei Heinemann ist eben noch eine echte Manufaktur. Heinz-Richard-Heinemann hat mir beigebracht, wie ich einen Striezel backe. Seit dem gibt es den bei mir alljährlich zu Ostern. Eigentlich müsste ich nach all den Jahren gemeinsamen Backens „Chocolatier ehrenhalber“ sein, oder wenigstens den „kleinen Gesellenbrief“ bekommen (lacht).
Lieber Ingo Nommsen, vielen Dank für das Gespräch.
